Seide
Seit Jahrtausenden sind die Menschen von Seide fasziniert: Die Chinesen entdeckten vor 5000 Jahren, wie man Seide herstellt. 3000 Jahre lang konnten sie ihr Geheimnis hüten. Dann gelangte es nach Europa. Lange war Seide ein Luxusgut, das sich nur die Reichen leisten konnten. Inzwischen begegnet uns Seide fast überall: in Steppjacken, Bettdecken, Schirmen, Hüten, Fallschirmen, Unterwäsche, Zahnseide. Egal, was aus der starken feinen Naturfaser Seide hergestellt wird – am Anfang steht eine kleine Raupe, der Maulbeerspinner.
Vom Kokon zum edlen Stoff
Die
oberste Schicht des Kokons kann man nicht abwickeln. Die Fasern sind
wirr und kurz. Sie werden einfach abgezupft oder abgekämmt. Als so
genannte Florettseide kommt sie in den Handel und ähnelt Nessel- oder
naturfarbenem Baumwollstoff. Was beim Kämmen übrig bleibt, wird auch
noch verwendet. Das ist die Bouretteseide. Sie wird grob gesponnen, hat
viele Noppen und ist stumpf. Ist die oberste Schicht des Kokons
entfernt, beginnt das Abwickeln. Das Ergebnis ist Rohseide oder
Bastseide. Sie glänzt nicht, ist wenig geschmeidig, aber dafür sehr
fest.
Aus Rohseide können die verschiedensten Seidenprodukte
hergestellt werden. Sie wird je nach gewünschter Qualität mehr oder
weniger gründlich vom Bast befreit, das heisst vom Leim, der die Fäden
verklebt. Das geschieht durch Abkochen in Seifenwasser. Je gründlicher
die Seide “entbastet” wird, um so stärker glänzt sie. Die hundert
Prozent entbastete Seide ist die so genannte Glanzseide oder
Cuite-Seide. Sie gehört noch heute zu den teuersten Seiden und wird zu
Seidendamast, Atlasseide oder Seidenduchesse verwebt.
Der Stoff,
der aus den Ausscheidungen der Seidenraupe entsteht, ist nicht zuletzt
wegen seiner Eigenschaften so begehrt: Seide lässt sich um rund 15
Prozent dehnen, ohne zu reissen. Ausserdem wirkt sie
temperaturregulierend: Sie kühlt bei Hitze und wärmt bei Kälte. Sie kann
bis zu 30 Prozent ihres Eigengewichts an Feuchtigkeit aufnehmen, ohne
sich nass anzufühlen. Die Oberfläche ist Schmutz abweisend und
unempfindlich gegenüber Gerüchen. Seide ist knitterarm und trocknet
schnell.
Seidenfaden abwickeln
Die Larven in den Kokons werden entweder mit Wasserdampf, mit Heissluft oder durch die Mikrowelle getötet. Anschliessend gibt es noch ein heisses Bad, damit sich der Klebstoff löst, der die Seidenfäden im Kokon zusammenhält. Dann erst kann der Faden abgewickelt werden. Je nach gewünschter Fadenstärke werden dabei zehn oder mehr der hauchdünnen Fäden zusammengefasst. Ein Kilo Kokons ergibt ungefähr 250 Gramm Seidenfaden.
Leben und Sterben im Kokon
Bevor
sich die Raupe verpuppt, spinnt sie erst einmal ein Seidengewirr
zwischen Grashalmen und Zweigen. Das wird die Verankerung für den Kokon.
Dieses Seidengewirr wird auch als Flockseide bezeichnet. Darin hängend
spinnt sie nun einen Faden von rund 3000 Metern um sich herum. Die Raupe
besitzt vier Drüsen an ihrer Unterlippe. Jeweils zwei Drüsen
produzieren gleichzeitig einen Faden. Der besteht aus Fibrin, einem
hornähnlichen Eiweiss, und ist mit Sericin, einem Leim, verklebt. Der
Kleber wird auch als Seidenbast bezeichnet. Er enthält Pigmente, die den
Farbton der Rohseide bestimmen.
Beim Spinnen bewegt die Raupe
sich achtförmig. Je nach Zucht können die Kokons kugelig sein, oval oder
länglich, weiß, gelb, rosa oder grau. Eine Weile ist die Raupe darin
noch aktiv. Doch dann ruht sie. Man spricht in dieser Phase von der
Puppe. Nach 18 Tagen würde normalerweise ein weisser, wollig-behaarter
Schmetterling herausschlüpfen. Doch das verhindert der Züchter. Der
Schmetterling würde nämlich den Kokon mit einem Sekret aufweichen und
dann durchbeissen. Der Faden liesse sich nicht mehr vom Kokon abwickeln.
Deshalb tötet der Züchter die eingesponnene Larve schon nach zehn
Tagen. Schlüpfen dürfen nur die Maulbeerspinner, die zur Nachzucht
verwendet werden.
Maulbeerspinner – Seidenraupe
Der so genannte Maulbeerspinner spinnt die Seide, die heutzutage überall im Handel ist. Es beginnt damit, dass der grau-gelbe Nachtschmetterling 200 bis 800 Eier legt. Nach etwa zehn Tagen schlüpfen aus den Eiern kleine, zwei bis drei Millimeter lange, schwarz behaarte Raupen. Während des Winters bewahrt der Züchter die Eier kühl auf. So schlüpfen die Raupen erst dann, wenn es warm ist und es genügend Nahrung gibt. Schon nach drei Tagen färbt sich die Haut der winzigen Raupen weiss. Die Maulbeerspinner häuten sich und fressen und fressen – und zwar, wie der Name schon verrät, ausschliesslich frische Blätter vom Maulbeerbaum. Nach vier Wochen und insgesamt vier Häutungen hat die Raupe das 40.000-fache ihres ursprünglichen Gewichts gefuttert. Jetzt ist sie ungefähr fingerdick. Die Verwandlung kann beginnen.
Leinen
Leinen oder Flachs (altgr. linon und lat. linum ,Lein‘) ist die Faser aus der Lein- oder Flachspflanze, insbesondere auch das daraus gefertigte Gewebe oder Tuch.
Synonym
wird für das Fertigprodukt Leinwand oder Linnen benutzt. Seit dem
späten 19. Jahrhundert wurde Leinen fast völlig durch Baumwolle
verdrängt, gewinnt aber als ökologische Naturfaser wieder an Bedeutung.
Die
Flachs- oder Leinenfaser wird aus den Stängeln der Flachspflanze
gewonnen und zählt zu den Bastfasern. Die Leinenfasern bilden Bündel, im
Gegensatz zu Samenfasern wie Baumwolle, die aus unverbundenen
Einzelfasern bestehen.
Bei der Ernte werden die Leinpflanzen mittels
spezieller Maschinen mit den Wurzeln aus dem Boden gerauft, das heißt
ausgerissen, da beim Mähen die Fasern zerstört würden. Die Ernte erfolgt
bei Gelbreife, dann sind im unteren Drittel die Blätter bereits
abgefallen. Das Stroh wird in Schwadlage auf dem Boden abgelegt und
parallel ausgerichtet.